1: Willst du wirklich abnehmen?
Oder will nur dein Freund, dass du auf dich achtest? Oder fand deine Mutter schon immer, du seist ein kleines Pummelchen? Oder sagen dir Werbeplakate und Frauenzeitschriften, das Schönheit mit einer ganz bestimmten Körperform zu tun hat, und zwar nicht mit deiner? Oder zwingen dich die abfällig hochgezogenen Augenbrauen der Verkäuferinnen in diesen niedlichen Boutiquen in die Knie, wenn du nach einem Kleid in Erwachsenengröße fragst?
Ich traue dir durchaus zu, zu wissen, was du willst. Und wir kommen trotzdem nicht darum herum, uns beharrlich und immer wieder zu fragen, ob wir selbst uns mit ein paar Kilo weniger wirklich wohler fühlen würden (leichter, dynamischer, sportlicher, gesünder), oder ob sich irgendwer anders wohler fühlen würde, wenn wir ein paar Kilo abnähmen – was dann ja in Wahrheit kein Grund für gar nix ist!
2: Sei konkret
Wahrscheinlich sind nicht alle Teile deines Ichs begeistert von der Idee, abzunehmen. Es gibt sicherlich in deinem Inneren ein paar Gestalten – träge Schweinehunde, lüsterne Schleckmäuler, Gegen-Alles-Rebellen, selbstunsichere Duckmäuser, depressive Pessimisten – , die überhaupt keine Lust dazu haben. Wenn du sie trotzdem ins Boot holen willst, solltest du ihnen möglichst genau klarmachen, was das Ziel des Projektes Wunschgewicht ist. „Bikinifigur“ ist kein gutes Ziel, denn jeder Körper in einem Bikini ist eine „Bikinifigur“. „Bisschen dünner“ ist ebenfalls schlecht. Dann macht die Bande mit, bis du 300 Gramm abgeworfen hat, sagt dann, „Na Bitte!“ und bestellt Nachtisch. „Extrem abnehmen und zwar schnell“ führt zu sofortigem Abwinken. Wenn du Fluchtwege versperren willst, dann sei konkret. Sag dir selbst und all deinen skeptischen Facetten, dass du 10 Kilo in 10 Monaten abnehmen möchtest oder 5 Kilo in 3 Monaten, und dass das also 1 Kg pro Monat (bzw 1,6kg / Monat) bedeutet. Damit kommen wir direkt zu
3: Stecke dir moderate Ziele
Wenn dein innerer Feldwebel beschließt, 20 Kilo abzunehmen, und zwar in 4 Monaten, dann tritt der Rest deines Ichs wahrscheinlich sofort in Streik, und zwar zurecht. Warum sollte man sich denn quälen lassen? Wozu?
Außerdem: Hohe Anforderungen erzeugen Druck. Viele von uns haben gelernt, bei zuviel Druck durch noch mehr Essen zu entspannen.
Die Chance, erstmal zu scheitern, steigt, je höher das Ziel. Das führt zu Frust. Frust ist unangenehm und viele von uns haben gelernt, unangenehme Gefühle mit Essen zu betäuben.
Die traurige Realität ist: Zunehmen geht immer schneller als abnehmen. Wenn du nicht am Ball bleibst, wird deine Diät nachträglich zum JoJo. Versuche, dir neue Gewohnheiten zuzulegen, die du dauerhaft halten kannst. Dass du dauerhaft mit 500 Kalorien pro Tag zufrieden bist, ist eher unwahrscheinlich. Aber dir das Hauptgericht mit deiner Begleitung zu teilen, könntest du vielleicht schaffen.
4: Sieh den Tatsachen ins Auge
Es gibt inzwischen zig Apps, die zählen, wieviel Kalorien du täglich aufnimmst und wieviele du durch Bewegung wieder verbrennst und die dir außerdem sagen, mit welcher Kalorienzufuhr du dein Wunschgewicht in welcher Zeit erreichst. Diese Apps sind natürlich nur dann sinnvoll, wenn du wirklich jeden Keks und jeden Apfel einträgst. Manche Menschen sträuben sich gegen dieses Festhalten des eigenen Konsums, finden, das sei irgendwas zwischen anstrengend und zwangsneurotisch. Das ist nichts weiter als ein Versuch der Abwehr gegen die harten Tatsachen der eigenen Ernährungsgewohnheit. Es kann unerfreulich sein, festzustellen, wie viel du tatsächlich täglich ist und wie weit du damit über deinem Tagesbedarf liegst. Oder zu merken, dass diese klitzekleinen Kekse wirklich gar nicht so wenige Kalorien haben und dass du ja jetzt schon zehn von den Dingern verputzt hast. Oder dass Croissants wirklich so gefährlich sind, wie die Health-Mafia sagt. Und dass Butter nicht so harmlos ist, wie Oma immer behauptet hat.
Es ist in sämtlichen Lebensbereichen das gleiche: Unerwünschten Gewohnheiten unumwunden ins Gesicht zu blicken, ist der erste Schritt zur Veränderung. Man muss den Gegner schließlich kennen, um ihn einzuschätzen und eine Strategie entwickeln zu können.
5: Sei fehlerfreundlich und halte durch!
Das ist oft der Punkt, der Scheitern von Erfolg trennt. Sofern du keine Maschine bist, wird es zu Situationen kommen, in denen du dich nicht an deine Regeln hältst, sondern ganz gegen deine Verabredung mit dir selbst einen Teller Pasta mit viel Öl und Parmesam und irgendwas bestellst, dazu ein Riesenglas Wein und dann noch eines. Und dann könntest du denken, jetzt sei eh schon alles egal, und du könntest dir genauso gut auch noch das Tiramisu bestellen, davor vielleicht die Käseplatte, weil ja eh schon alles verloren ist und dann noch zwei bis drei Gläser Wein, weil die Diät jetzt sowieso im Eimer ist. Und dann könntest du am nächsten Tag zu der Erkenntnis gelangen, dass es ja jetzt wohl ganz offensichtlich nicht geklappt hat mit dem Abnehmen, und wenn du gestern undiszipliniert warst bringt es doch nichts mehr, heute noch zu kämpfen.
Geschickter wäre es allerdings, du würdest dir vor Augen halten, dass 400 Kalorien zuviel immer noch bedeutend besser sind als 1000 ungeplante Kalorien und dass du durch einen Ausreißer einfach nur einen Tag länger bis zum Wunschgewicht brauchst, was höchstens etwas ärgerlich, aber eigentlich kaum der Rede wert ist, denn wenn du am nächsten Tag munter weitermachst, wirst du trotzdem erfolgreich sein.
6: Es ist leichter, mit etwas Neuem anzufangen, als mit etwas Altem aufzuhören
Wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Wir verzichten lieber auf Glück als auf Bekanntes und wir halten jede Menge Schmerz aus, wenn er sich nur vertraut anfühlt. Es ist schwer, sich alte Gewohnheiten abzutrainieren. Einfacher ist es, etwas Neues anzufangen. Das ist aufregend und macht Spaß (besonders, wenn wir dafür erstmal nichts Altes aufgeben müssen). Also schlage ich vor: Nimm dir nichts weg von deinen bisherigen Ess-und Lebensgewohnheiten, sondern füge einfach Neues hinzu. Obst, Gemüse, gesunde Kohlendydrate, Eiweiß. Iss ruhig weiterhin ein Croissant zum Frühstück – aber nur, wenn du nach deinem Obstsalat noch Hunger hast. Trink ruhig weiterhin Cola im Büro, aber fahre mit dem Fahrrad hin. Gönn Dir ruhig weiterhin ein Stück Kuchen unter Freund_innen – macht nichts, wenn du vorher boxen warst!
Je mehr Gemüse du mampfst, desto weniger Kapazitäten hast du für Schokolade. Und falls du zu den Leuten mit dem Extramagen für Süßes gehörst, lebst du trotzdem gesünder und man sieht es dir an!
7: Lass dich fühlen!
Wir haben alle allerlei Techniken, um uns vor unliebsamen Gefühlen zu verstecken. Gute Verstecke können wir beispielsweise aus Zucker, Weizen und Butter bauen.
Wir legen eine dicke Decke Eiscreme über unsere Traurigkeit, damit sie besser schläft.
Wir schlucken unsere Wut mit drei Tellern Pasta runter, bevor irgendjemand merkt, dass da was war.
Wir übertönen das Keuchen unserer Angst mit den Krachen und Rascheln der Chips.
Wir peppeln uns bei Erschöpfung mit Zucker auf und bekämpfen Unlust mit Kuchen.
Wir öffnen nachts den Kühlschrank, um zur Ruhe zu kommen.
So schützen wir uns, während wir uns schaden – und verpassen dabei unser Leben. Denn unangenehme Gefühle sind nicht nur unangenehm, sondern auch pure Lebendigkeit. Wir müssen nur wissen, dass wir in der Lage sind, sie auszuhalten, und das sie vergehen, während wir sie spüren (und sich verfestigen, wenn wir sie betäuben).
Hierbei kann schreiben helfen: Schreib doch morgens oder abends oder vor einer Essensverabredung ein paar Minuten lang auf, wie du dich gerade fühlst, körperlich, aber auch emotional. Hast du Angst und wenn ja, vor was? Bist du wütend? Warum nicht? Welche Traurigkeit hast du fast schon vergessen?
Solltest du den Eindruck haben, dass die Sache mit dem Essen heute irgendwann eskaliert ist, dann schreib darüber, was dich hat eskalieren lassen – und was spürbar geworden wäre, hättest du weniger gegessen.
8: Was verlierst du, wenn du Gewicht verlierst?
Manchmal will ein Teil von aus aus guten Gründen abnehmen, während ein anderer Teil von uns aus möglicherweise auch sehr guten Gründen nichts am gegenwärtigen Gewicht ändern möchte. Vielleicht, um weiterhin mit der Familie essen zu können, ohne „kompliziert“ zu wirken, vielleicht, um nicht zu viele Kilo Differenz zwischen den geliebten Menschen und uns zu bringen, vielleicht, um im Freundeskreis nicht aufzufallen. Vielleicht, um weiterhin (vermeintlich) sicher vor Übergriffen zu sein, vielleicht, um uns (bestimmte) Menschen vom Leib zu halten oder warum auch immer.
Wenn ein Teil von uns mit plausiblen Argumenten Ja sagt und ein anderer Teil gute Argumente für ein Nein hat, dann machen wir uns das Leben nur unnötig schwer, wenn wir gegen uns in den Kampf ziehen. Hilfreicher könnte es sein, mit uns selbst ins Gespräch zu kommen. In ein Gespräch mit möglichst wenig Vorwürfen, Bewertungen und Unterstellungen, dafür voll Interesse und Verständnis. Was immer dabei herauskommt, wird für Hier und Jetzt das Stimmige sein.
9: Verabschiede dich von hinderlichen Glaubenssätzen.
„Du warst schon immer mollig.“ „Deine Schwester ist schlank, du bist klug.“ „In dieser Familie isst man gern.“ „Du warst noch nie sportlich.“ „Dein Bruder war schon immer dünner als du.“ „Disziplin ist nicht gerade deine Stärke.“ „Das schaffst du eh nicht.“ „Du hast einfach kein Durchhaltevermögen.“ „Du warst schon immer ein Schleckmaul.“
Was auch immer. Fast jede_r von uns wurde im Laufe ihres Lebens von irgendwem mit irgendwelchen Glaubenssätzen konfrontiert, die den Mut auf Veränderung und den Glauben an sich selbst nehmen.
Kannst du so einen Satz identifizieren, der sich so tief in dein Gehirn eingeschrieben hast, dass du ihm blind folgst, ohne es auch nur zu merken? Das muss ja nicht so bleiben. Denn es stört und tut weh. Und du findest sicher Glaubenssätze, die sich angenehmer anfühlen und dir Kraft geben für was auch immer du gerade angehst.
10: Merke dir, was klappt
Die meisten von uns sind ziemlich gut darin, sich an ihre Misserfolge und ihr Scheitern zu erinnern. Das kauen wir dann immer wieder durch, vorzugsweise nachts um drei schlaflos im Bett, vor einem Date, einer Prüfung, in Entscheidungssituationen oder wenn uns jemand versucht, ein Kompliment zu machen.
Unseren eigenen Erfolgen begegnen wir hingegen mit beeindruckender Amnesie. Was schade ist. Denn je besser wir verankern, was klappt, desto handlungsfähiger sind wir künftig – wir wissen ja, mit welchen Methoden wir in der Vergangenheit erfolgreich waren. Außerdem gibt uns das Gefühl von Selbstwirksamkeit Kraft und Zufriedenheit, es lässt uns mit uns selbst im Reinen sein und leichter empfänglich für weitere positive Erfahrungen und die Zuneigung anderer sein.
Schreiben hilft uns zu merken. Schreib auf, wie es dir gelungen ist, schneller, weiter oder länger als gestern zu laufen, wie du es endlich geschafft hast, dich zu einem Spaziergang aufzuraffen, wie du erfolgreich die Eiscreme Eiscreme hast sein lassen und Äpfel in deinen Einkaufskorb legtest. Wie du ein Kilo abgenommen hast. Wie du die Treppen genommen und das Auto stehen gelassen hast. Wie du heute Nacht nicht zum Kühlschrank gegangen bist. Wie Du schon wieder Salat bestellt hast. Wie jemand dir ein Kompliment für deine Muskeln gemacht hat. Wie deine Hose rutscht. Fülle deine Texte über deine Erfolge mit Sinneseindrücken, Emotionen und Beziehungserfahrungen, denn so graben sie sich tiefer in die Fasern deiner Seele ein. Schreib auf, wie der Neuschnee unter deinen Füßen knirschte, als du nach Hause liefest. Wie das Eis auf dem Wasser glitzerte, an dem du joggtest. Wie die Bowl gemustert war, in der dein Fitnesslunch kam. Wie die aufgeschnittene Orange roch. Wie stolz, schön, schlank, euphorisch, aufgeregt du dich gefühlt hast. Wieviel Nähe es gestiftet hat, mit deinem Partner ein Gericht zu teilen. Wie verbunden du dich den anderen im Yogastudio fühltest.
Erzähl auch deinen Freundinnen, Kollegen und wem auch immer von deinen Erfolgen. Warum denn nicht. Das hat nichts mit Eitelkeit zu tun, sondern mit Neugier, Gewissenhaftigkeit, Selbstbewusstsein. Erzählt euch, wie gut ihr seid und gratuliert euch dazu!